Was wurde nicht schon alles zu unserem Schicksal erklärt? Die Politik, die Bürokratie, die Wirtschaft, der Euro... In einem metarealistischen Almanach heißt es: „Die Wirklichkeit ist unser Schicksal.“ Der Kommentar erläutert, dass darunter dasjenige, was wir dafür halten, zu verstehen sei; zumindest bis zu einem gewissen Punkt, der ein Zeitpunkt sei. Wirklichkeit gründe in einer Art Credo und sei eine Frage der Glaubwürdigkeit, letztlich Vertrauenssache.
Die These wird gelegentlich als Beleg für den Austausch zwischen Wirklichkeit und Metarealismus angeführt. Wurden Metarealisten wegen solcher Äußerungen früher, initiiert vielleicht von Effekthaschern aus ihren eigenen Reihen, als postmoderne Spinner bespöttelt, so haben sich mittlerweile die Realitätstüchtigen ihrer Ansichten bemächtigt. Analysten, Ökonomen und Soziologen haben als Ursache für das, was sie die Krise des Finanzsystems nennen, einen fundamentalen Vertrauensverlust ausfindig gemacht. Ein Verlust an Glaubwürdigkeit sei der wirkliche Grund für das sich anbahnende Desaster auf den Finanzmärkten. In der Glaubwürdigkeit gründe die Kreditwürdigkeit. Credo und Kredit – das sei, ob wir es wollten oder nicht, die Realität.
Sichtbar wurden diese Zusammenhänge allerdings erst im Zeichen dessen, was den Realitätstüchtigen als Niedergang vorkommt. Bis vor kurzem habe man Banken durch Staaten und diese durch große Staatenverbände retten, d.h. weitermachen lassen können. Nun aber, nachdem die Vertrauensreserven aufgebraucht seien, breche das ganze System des Vertrauensmanagements zusammen, und alles geriete in den Strudel des Vertrauensverlusts.
Oder anders: Bis vor kurzem konnten Metarealisten mit der Frage „Wie lange noch?“ Außenseiter spielen. Nun aber sei es durch die mediale Beschleunigung und erhitzte Popularisierung dieser Frage zu ihrer Kernschmelze gekommen, wodurch die auf Vertrauensbasis gestellte Wirklichkeit kontaminiert worden sei. Schon tauche hier und dort die Anschlussfrage auf: „Was dann?“
In dieser fatalen Situation tritt der Metarealismus, den man als Marionettenspieler eines Schreckgespenstes darzustellen gewohnt war, als Trostspender und Kühlmittel auf. Er argumentiert dabei ähnlich wie einst Epikur gegenüber denen, die sich angesichts des Todes ängstigten. Diesen hatte der griechische Philosoph versichert, dass sie der Tod gar nichts anginge, da er, solange sie existierten, nicht sei, dort aber, wo er sei, sie nicht existierten. So erklärt der Metarealismus hinsichtlich der Wirklichkeit, als deren ständige Vertretung er sich gerne ausgibt, dass immer und überall, wo die Vertrauensfrage des „Wie lange noch?“ oder gar deren skeptische Überbietung „Was dann?“ an sie gestellt werde, die Wirklichkeit sei.